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08.12.20-Adventsfenster - Fam. Glatter, Marquardsholz

Der kleine Nussknacker

Schon duftet es im ganzen Land nach Honigkuchen, schon drücken die Kinder sich die Nase an den Spielzeuggeschäften platt, denn bald schon ist wieder Heilige Nacht.

Das spürt auch der junge Herr Nussknacker, der noch im Schaufenster des Eckladens auf seine neue Familie wartet. Mit seinem roten Frack, den goldenen Knöpfen und dem schwarzen Helm, fühlt er sich wie ein wichtiger General. Dennoch ist er schon ganz nervös, wie er am Weihnachtsabend seine Arbeit tun darf. Er hat schon so viel über das Weihnachtsfest gehört, dass die Menschen sich zum Beispiel einen Baum ins Haus holen und diesen mit hellen Lichtern und bunten Kugeln schmücken, dass sie darunter Geschenke legen, Lieder singen und Gedichte vortragen.

„Oh, wie schön wäre es, wenn ich das doch endlich selbst miterleben könnte“, sagte der kleine Nussknacker zu sich.

Als wieder die Ladentüre bimmelte steigt bei ihm die Nervosität. Bringt ihn dieses Läuten vielleicht in eine Menschenfamilie? Es ist eine ältere Dame mit einem roten Hut und einem schwarzen Mantel. Durch das Schaufenster und den ganzen Laden geht ein leises Raunen, denn alle Dinge im Laden wollen besonders hübsch aussehen, in der Hoffnung, dass sie bald ein neues Zuhause bekommen. „Gerade stehen, Brust raus und die scharfen Zähne zeigen“, dachte sich der Nussknacker, denn schließlich soll diese Dame doch sehen, dass er es mit den größten und härtesten Nüssen aufnehmen kann. Tatsächlich läuft die Frau mit dem roten Hut direkt auf ihn zu, aber, oh nein, kurz vor dem Ladenfenster bleibt sie stehen und schaut sich die Weihnachtspyramide, die sich so schön dreht, an. Ja, und schließlich kauft sie diese auch und der arme Nussknacker bleibt zurück.

So geht es schon seit Tagen. Immer wenn jemand das Schaufenster anschaut oder in den Laden kommt, gibt sich Herr Nussknacker die größte Mühe gut auszusehen, aber bislang waren alle Bemühungen vergebens. Auch das kleine Mädchen mit den blonden Locken, das jeden Tag vorbeikommt und Herrn Nussknacker immer mit leuchtenden Augen anschaut hat ihn noch nicht aus dem Geschäft geholt.

Von Tag zu Tag steigt die Anspannung bei Herrn Nussknacker, denn es sind nur noch drei Tage bis zum Weihnachtsfest

Ein anderer Nussknacker, mit blauer Uniform und einem dicken Rauschebart, hat ihm erzählt, dass man, wenn man nicht verkauft wird, in eine dunkle Kiste kommt und lange in Eiseskälte ausharren muss, bevor man wieder im Laden ausgestellt wird. Davor hat Herr Nussknacker ehrlich gesagt große Angst. Als er unauffällig nach rechts schaut, sieht er wieder das kleine Mädchen mit den blonden Locken kommen, im nächsten Augenblick steht es schon vor ihm und schenkt ihm ein warmes Lächeln.

Immer wenn sie das tut, macht das Herz des kleinen Nussknackers einen kleinen Sprung. Wie gerne würde er doch mit diesem Mädchen nach Hause gehen. Dort hätte er es bestimmt gut. Aber das Mädchen kommt nie in den Laden, sondern drückt sich nur die Nase an der kalten Scheibe platt.

Es ist nur noch ein Tag bis Weihnachten und der Nussknacker hält immer noch Ausschau nach einem neuen Zuhause und langsam verliert er schon den Mut. Doch als die Ladentüre dieses Mal läutet, wird er kurz darauf aus dem Schaufenster geholt. Allerdings ist es nicht das kleine blonde Mädchen, sondern ein trauriger Mann, der betrachtet ihn von allen Seiten und sagt nur: „Gut, dann soll es der wohl sein“.

Vor lauter Freude hätte der Nussknacker am liebsten einen kleinen Freudentanz gemacht, aber das schickt sich für einen Nussknacker nicht. Leise verabschiedet er sich von den anderen Dingen, die noch keinen Käufer gefunden haben. Doch welch ein Schreck, kurz darauf wird er in eine dunkle Kiste gesteckt. „Ist das etwa die Kiste, von der der blaue Nussknacker erzählt hatte“? denkt der kleine Nussknacker voll Angst. Lange bleibt es dunkel und von Zeit zu Zeit wird er in der Kiste hin und her geschmissen, nun hat sich lange schon nichts mehr getan, doch plötzlich ertönt liebliche Musik, jetzt spürt der Nussknacker auf einmal, wie die Kiste angehoben wird und endlich strahlt warmes Kerzenlicht herein.

Als er aus der Kiste herausgehoben wird, sieht er einen hell erleuchteten Baum, „das muss wohl der Weihnachtsbaum sein, von dem mir alle erzählt haben“, dachte er mit einem Seufzen. Langsam wird er umgedreht und zwei strahlende Kinderaugen schauen ihn an. Jene Augen, die er so gut kennt. Die Augen des kleinen Mädchens mit den blonden Locken.

Es drückt den Nussknacker fest an sich und ihm steht vor lauter Freude ein breites Grinsen im Gesicht.

Was für ein schönes Weihnachten!

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