20.12.20-Adventsfenster - Fam. Lai, Fam. Raithel, Fam. Tratz, Susannastr.
Die Hirten und die Schafe (Ottheinrichstraße)
Eigentlich beginnt diese Nacht wie jede andere. Ich zähle meine Schafe und setze mich dann gut eingewickelt in meinen Umhang – denn die Nächte bei uns werden kalt – an einen Baum. Die Hirten, mit denen ich heute das Feld teile, machen es ähnlich. Einer ist sogar eingeschlafen. Doch irgendetwas stimmt nicht. Selbst meine ausgeglichensten Tiere kommen nicht zur Ruhe und laufen nervös herum. Ich sehe mich um, kann aber nichts Ungewöhnliches erkennen. Im Gegenteil – so ruhig und friedlich war es schon lange nicht mehr. Ich schaue zum Himmel. Wie wolkenlos und klar er ist! Vielleicht macht ja das helle Licht des Mondes die Schafe unruhig? Dann sehe ich ihn, einen ganz besonders hellen Stern. Er ist nicht nur heller, sondern auch irgendwie größer. Wächst er etwa?! Nein, tatsächlich! Das helle Licht wird immer größer und kommt näher. Ich springe auf und schreie: „Lauft! Der Stern fällt vom Himmel!“ Ich renne in Richtung Wald und hoffe, dass ich unter den Bäumen dort Schutz finde. Doch so weit komme ich gar nicht. „Fürchtet euch nicht“, erklingt es mit einer Stimme vom Himmel, die ich zuvor noch nie gehört habe und die das Land um mich erfüllt. Erschrocken drehe ich mich um. Ich muss erst die Augen zusammenkneifen, bevor ich etwas erkennen kann. “Fürchtet euch nicht”, donnert es wieder. Eine Gestalt - fast wie ein Mensch - schwebt über dem Feld. Sie leuchtet grell und hat ein Paar großer, weißer Flügel. „Ich verkünde euch eine Botschaft, die das ganze Volk mit großer Freude erfüllt”, sagt das Wesen. Ich beruhige mich etwas. Unheimlich ist mir die fremde Gestalt aber trotzdem. Was will sie denn bei uns Hirten? Als hätte das Wesen meine Gedanken gelesen, spricht es weiter. „Heute ist für euch in der Stadt, in der schon David geboren wurde, der lang ersehnte Retter zur Welt gekommen: Christus, der Herr. Und daran werdet ihr ihn erkennen: das Kind liegt in einer Futterkrippe, in Tücher gewickelt!“ Ich starre die leuchtende Gestalt an. Fast jeder kennt die Prophezeiung vom Retter aus den Schriften der Thora. Ist es jetzt wirklich soweit? Und kann es sein, dass wir einfache Hirten das miterleben dürfen? Das Ganze erscheint mir unwirklich. Was macht ein von Jahwe gesandter Retter in einer Futterkrippe? Andererseits… das helle Ding mit den Flügeln wirkt irgendwie… göttlich. Mit der Stadt Davids kann es nur Bethlehem meinen. Das ist nicht weit von hier. Ich bespreche mich kurz mit meinen Kollegen und wir beschließen, uns gemeinsam auf den Weg zu machen und zu schauen, ob uns die Wahrheit verkündet wurde. Wir sind gespannt, ob wir unseren Retter finden werden...